Caro

 

 

Warum ich Hebamme geworden bin

 

Manchmal gibt es Momente, in denen ich mich frage, ob das was ich tue das Richtige ist und ob ich die richtigen Entscheidungen in meinem Leben getroffen habe. Diese Momente gab es auch meinen Beruf betreffend schon oft.
Warum habe ich mich eigentlich entschieden, Hebamme zu werden? Will ich das immer noch sein?

Jedes Mal wenn ich über diese Frage nachdenke, wird mir bewusst, dass ich mir schon von frühester Kindheit an gar nichts anderes vorgestellt habe. Schwangerschaft und Geburt waren schon immer ein ganz selbstverständlicher Teil meines Lebens und das nicht nur, weil meine Eltern nach mir noch sieben weitere Kinder bekommen haben. Der Ursprung liegt in meiner Kindheit. Auf einem kleinen Bauernhof in Niedersachsen.

Schon als kleines Mädchen habe ich stundenlang die Geburt eines Kälbchens beobachtet, ohne dass mir damals bewusst war, was für ein besonderes Ereignis der Geburtsvorgang ist. Ich saß unzählige Stunden auf den Strohballen neben der Abkalbebox und beobachtete, wie die Kuh langsam ihr Kalb gebar, wie sie es danach gründlich ableckte und das Kalb seine ersten wackeligen Schritte zum Euter tat, um zu saugen. Ich sah zu, wie die Hofkatzen und die Mutterkuh die Plazenta auffraßen und fand daran so gar nichts unnormal oder gar eklig. Diese kleine Bauernhofwelt hat mir so oft die Ruhe und den Frieden gezeigt, die eine interventionslose Geburt begleiten. Dass Lebewesen ein oder mehrere Junge tragen, gebären und säugen war natürlich und selbstverständlich für mich. Ich war gerne und oft dabei, wenn unsere Tiere auf dem Bauernhof oder auf den anderen Höfen in der Umgebung Junge bekamen: Kühe, Katzen, Schafe oder Ziegenjunge, Fohlen, kleine Meerschweinchen und allerlei weitere Tierbabys begleiteten meine Kindheit. Vor allem sah ich regelmäßig, dass es funktioniert und dass ein gesundes, lebendiges Wesen ohne jegliche Eingriffe von außen von seiner Mutter geboren wird. Ich erkannte, dass die werdende Mutter die Kraft und die Fähigkeit dazu in sich trägt und das beeindruckte mich zutiefst. Heute ist mir bewusst, wie sehr diese Erfahrungen meine Sicht auf Schwangerschaft und Geburt bei uns Menschen geprägt und eben auch meinen Berufswunsch beeinflusst haben.

 

 

Während stressiger Kreißsaaldienste und nach hektischen Geburten habe ich oft ein bisschen wehmütig an meinen Platz auf den Strohballen neben der gebärenden Kuh gedacht. An die Ruhe im Stall und die Zuversicht und Kraft, die dieses große Muttertier während der Geburt ausstrahlte. So manches Mal habe ich mir diese Atmosphäre von früher in den Kreißsaal gewünscht.

Die Jahre in der Klinik waren streckenweise hart für mich. Die Hierarchie dort war streng und bei weitem nicht jede Geburt verlief so idyllisch, wie ich es mir gewünscht und zu Anfang recht naiv vorgestellt habe. Ich habe mich oft schuldig gefühlt, wenn eine Geburt anstrengend, hart und unfair war, nicht schön verlief und die Eltern sich nicht gut aufgehoben fühlten, denn leider finden Geburten nicht immer das gute Ende, das ich als Kind so oft erlebt habe. Dennoch war es für mich der richtige Schritt, um das zu werden, was ich sein wollte: Hebamme.

Diesen Beruf lernte ich durch die Schwangerschaften meiner Mutter ebenso nebenher kennen, wie den Geburtsvorgang selbst bei den Bauernhoftieren. Mir wurde erst durch die Fragen anderer Menschen irgendwann bewusst, dass es heutzutage gar nicht so „normal“ ist, wenn eine Familie viele Kinder hat und dass es etwas ganz Besonderes war, dass ich sieben Schwangerschaften meiner Mutter miterlebt habe. Ich wurde gefragt, ob meine Eltern religiös seien und deshalb nicht verhüten dürften, ob alle Kinder vom selben Partner stammen und ob ich auch mal so viele Kinder haben möchte. Man fragte mich, ob meine Eltern arbeiten gehen, ob sie in Zukunft noch mehr Kinder bekommen wollen und ob ich mir die Geschwister alle gewünscht habe. Sie wollten wissen auf welche Schule wir gehen oder ob jede/r von uns ein eigenes Zimmer hat und wie meine Eltern das denn eigentlich machen, mit so vielen Kindern. Ich wusste lange nicht, warum Menschen diese Dinge fragten und was ich darauf antworten sollte.

Jetzt, nach den anstrengenden, ermüdenden und zugleich glücklichen und sinnvollen Jahren, in denen ich mein Studium zur Hebamme absolvierte, weiß ich es: Eltern haben so eine wahnsinnig große Verantwortung und in ihrer Elternschaft einen wunderschönen, aber verdammt harten „Job“, für den sie mit der Liebe ihrer Kinder belohnt werden. Gleichzeitig ist der gesellschaftliche Erwartungsdruck für Eltern und insbesondere für Mütter enorm groß. So ist es wohl für viele ein großes Mysterium, wie man sich dieser Aufgabe nur so oft stellen mag und ob man sie dann nicht mit jedem weiteren Kind „schlechter“ erfüllt. Als ich schließlich noch während des Studiums meine eigenen Kinder zuhause geboren habe, stand für mich endgültig fest, dass ich in der Außerklinik arbeiten möchte. Ich wusste, dass ich Gebärende* darin bestärken möchte, auf sich, ihren Körper und das Kind zu vertrauen. Ich möchte Ihnen individuell die Unterstützung geben, die sie dabei benötigen. Mein Wunsch ist es, dass Schwangere*, Gebärende* und Eltern sich selbst vertrauen, gut und stark genug zu sein und dass eben nicht nur bei der Geburt, sondern auch in der Zeit danach, denn Menschen können das sogar acht Mal (oder öfter) schaffen, wenn sie das möchten!

Mein Lieblingszitat, das mich seit einiger Zeit begleitet, ist deshalb auch:
„Anders ist nicht falsch, bloß ´ne Variante von richtig.“ (Julia Engelmann)



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