Eine schöne erste Geburt

Eine schöne erste Geburt

 

Es ist der 21.3.22; ich bin fünf Tage über dem errechneten Geburtstermin und was soll ich sagen? Obwohl ich noch recht fit bin, fühle ich mich ziemlich überdrüssig und sowohl körperlich als auch emotional beschwert. Es ist als sei mein Bauch reif wie eine Melone, die kurz davor ist zu platzen. Nur der entsprechende Impuls lässt noch auf sich warten – schon gefühlt seit zwei Wochen.
Nora hat mich schon mehrmals ermutigen und aufbauen müssen, als ich leidend bei ihr zur Vorsorge war.

So versuche ich aus dem Montag das bestmögliche zu machen: Ich starte morgens mit Yoga, gehe zum Friseur und lasse meine Haare um einiges kürzer schneiden, koche und treffe nachmittags eine Freundin zum Spaziergang. Abends unterhalte ich mich noch ein bisschen mit meinem Freund, der spät von der Arbeit kommt.
Ich habe leichte Unterleibsschmerzen, was mich aber nicht wundert, denn die hatte ich abends schon die letzten Tage. Also gehe ich um ungefähr 21:30 Uhr ins Bett und reibe mir vorher den Bauch mit Nelkenöl ein, was bekanntlich geburtsanregend wirken soll…. Der Geruch des Öls zieht mir unangenehm in die Nase, aber was soll es… viel hilft bekanntlich viel und ich will, dass es endlich losgeht.

Ob es nun am Geruch des Öls lag, kann ich schwer beurteilen. Meine Unruhe wächst und ich finde trotz Musik und Meditation nicht in den Schlaf.
Als mein Freund dann gegen 12 Uhr ins Bett kommt, kann ich nicht mehr liegen und ziehe ins Wohnzimmer um, beginne eine Regenbogenmeditation zu hören und döse vor mich hin. Langsam begreife ich, dass das Wehen sind. Die Einsicht macht ich weder aufgeregt noch ängstlich, oder gar freudig- im Gegenteil: Ich bin gelassen, begrüße jede Wehe und atme mit ihr.
Ich bekomme Lust auf ein Bad und es gelingt mir mich in der Badewanne zu entspannen und die Wehen zu veratmen. Doch langsam wird es intensiver und mein Körper beginnt sich zu entleeren. Meine Zeitwahrnehmung verschwimmt. Gegen 02:30 Uhr wecke ich meinen Freund, weil ich Support brauche. Ich möchte nicht mehr allein sein.

Unter Druck pendle zwischen der Couch und dem Badezimmer hin und her. Es gibt nicht viel, was mein Freund für mich in dem Moment tun kann.
Also sorgt er für eine schöne Atmosphäre: Statt laut zu jubeln, lässt er mir noch mal ein Bad ein und trägt eine Salzlampe, auf die ich mich während der Wehen konzentriere. Es ist ein leiser und beruhigender Support. Ich kann nun nicht mehr sprechen, wenn die Wehen einsetzen, stattdessen muss ich mich zu 100 Prozent auf meinen Atem konzentrieren. Ein und Aus und immer so weiter.

Gegen drei Uhr beginnen wir die Wehen zu tracken, ihr Abstand verringert sich auf drei bis fünf Minuten. Die App empfiehlt direkt uns „sich auf den Weg ins Krankenhaus“ zu machen. Aber ich habe noch nicht das Bedürfnis weitere Schritte einzuleiten. In der wohlig warmen Badewanne kann ich während der Pausen zwischen den Wehen schön entspannen. Danach gegen 03:30 Uhr geht der Schleimpfropf ab. Ich bin völlig überrascht und irgendwie alarmiert und mache mal lieber schnell ein Foto davon. Dann gehe ich wieder ins Wohnzimmer und bitte meinen Freund um eine leichte Rückenmassage. Und dann passiert es: gerade als er beginnt, platzt wie ausgelöst durch seine Berührung die Fruchtblase. Kurz darauf entscheidet mein Freund Nora anzurufen. In diesem Moment ist es mir nicht möglich diese Entscheidung selbst zu treffen. Das „Veratmen“ der Wehen verlangt meine gesamte Aufmerksamkeit, ich bin nur noch bei mir.

Als Nora um ca. 4:30 Uhr zu uns kommt, habe ich mir eine Base im Badezimmer aufgebaut und klebe hockend zwischen Badewanne und Wand. Ich freue mich, dass Nora da ist. Ihre Ankunft löst Erleichterung in mir aus, denn ihre Anwesenheit gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Die Herztöne vom Baby sind gut, meine Temperatur auch. So versuchen wir im Wohnzimmer noch mal eine leichte Rückenmassage, aber ich merke, dass ich nicht mehr berührt werden möchte. Die Wehen werden heftiger. Ich beginne ungewohnte Töne von mir zu geben und überlege, ob ich doch ins Krankenhaus möchte, um Medikamente zu bekommen. Das bleibt aber nur ein vager Gedanke und keine ernsthafte Überlegung.

Durch die Intensität der Wehen bin ich fest davon überzeugt, es nicht mehr ins Geburtshaus zu schaffen und dass das Baby jede Minute kommt. Ich bitte um eine Untersuchung. Mein Muttermund hat sich zu diesem Zeitpunkt allerdings erst um vier Zentimeter geöffnet, worüber ich fast etwas enttäuscht bin. Also geht es doch ab ins Geburtshaus: Zuvor bekomme ich noch zwei Paracetamol-Zäpfchen, mir wird gut zugeredet und so machen wir uns schließlich auf den Weg.
Dazu muss ich sagen, dass der Hinweg für mich der schlimmste Teil der Geburt war. Aus dem vierten Stock raus in die Kälte, ins Auto und, wenn auch nur 15 Minuten Fahrzeit, über Kopfsteinpflaster fahren bei starken Wehen, ist wirklich sehr unangenehm und schwer zu ertragen. Mir wird bewusst, weshalb ich mich unter anderem für das Geburtshaus entschieden hab: Denn ich merke, dass jede kleine Störung oder jede unangenehme Atmosphäre die Schmerzwahrnehmung und mein Wohlbefinden negativ beeinflussen.

Als wir im Morgengrauen, um ca. 5:30 Uhr im Geburtshaus ankommen, schlottere ich vor Kälte. Alles, was ich will, ist ein warmes Bad. Vorerst ist (mal wieder) Geduld angesagt, denn die Wanne muss erst volllaufen. Eingekuschelt in Decken mit einer Wärmflasche und einem Tens-Gerät, lässt es sich gut im Bett aushalten. Das Gerät wird an meinem unteren Rücken angebracht und mein Freund kann es während der Wehen bedienen. Eine wirkliche Veränderung spüre ich dadurch aber nicht.

Dann gehen die Presswehen auf einmal los, während ich noch im Bett liege. Automatisch beginne ich lautere Geräusche zu machen und zu pressen. An „runter atmen“, wie im Hypnobirthing beschrieben, ist nicht zu denken. Mein Körper presst und ich kann gar nicht anders als mitzumachen. Ich bin überrascht von den Geräuschen, die ich von mir gebe. Es sind Töne wie die Schreie einer Löwin.
Als ich dann endlich in die Badewanne kann, bin ich sehr erleichtert. Die Wehen kommen regelmäßig und sind intensiv. Im warmen Wasser gelingt es mir, mich wieder zu entspannen. Während der Wehenpausen lehne ich mich über den Rand, wenn die Kontraktion kommt. Im Geburtsraum herrscht eine schöne Atmosphäre. Das warme Licht der Salzlampen färbt den Raum in apricot, die Fenster sind verdunkelt, es ist ruhig und ich fühle mich geborgen.

Mein Freund kann weiterhin nicht viel tun, außer permanent da zu sein, mir Wasser zu reichen und mich ab und zu mit Traubenzucker zu füttern.
Ich hatte um 19 Uhr das letzte Mal etwas Kleines gegessen und langsam schwinden meine Kräfte.
Der Kopf des Babys ist schon zu fühlen und ich merke auch, wie er sich immer weiter nach unten arbeitet. Das ist für mich ein sehr unangenehmes Gefühl, da ein Dehnungsschmerz auftritt und es nicht so wirklich voran geht. Also nochmal raus aus der Badewanne und auf den Geburtshocker. Dort fühle ich mich nicht so wohl, aber immerhin geht es ein bisschen vorwärts. Ich möchte dann aber lieber wieder zurück in die Badewanne. Das Weiterpressen ist gar nicht so leicht, mein Körper will zwar, aber der Dehnungsschmerz ist so stark, dass ich nicht mitdrücken mag. Ich habe Angst vor größeren Schmerzen und will nicht reißen.

Ich bin die ganze Zeit in meiner eigenen Welt in einer Art Trance; nicht bewusst, sondern einfach wie von selbst. Fragen kommen ein bisschen verzögert bei mir an und ich brauche Zeit, um darauf zu reagieren. Zum Glück bin ich nicht wütend oder unfreundlich, sondern einfach nur kurz angebunden und sehr klar. Ich äußere meine Probleme und Nora sagt: „So Frederike, du kannst es jetzt so machen, wie mit einem Pflaster: Entweder reißt du es schnell ab und es tut kurz weh, oder du machst es langsam und es tut lange weh.“ Nach ein paar Momenten sickert diese Info zu mir durch und ich entschließe mich jetzt richtig mit Kraft zu pressen. Kurz darauf wird der Kopf unserer Tochter geboren.

Für mich ist es unwirklich diesen Kopf zwischen meinen Beinen schwimmen zu sehen. In dem Moment drehe mich zu meinem Freund um und sage ihm, dass ich ihn liebe, was er (zum Glück) gerührt erwidert.

Die letzte Wehe lässt etwas auf sich warten. Gefühlt vergehen Minuten, aber dann wird unsere Tochter um 08:39 Uhr geboren. Mit Noras Hilfe greife ich sie und wir legen sie auf meine Brust. Die Kleine fängt auch direkt an zu schreien.
Es ist ein Moment, den ich kaum in Worte fassen kann; ein Moment zwischen Unfassbarkeit, Rührung, Aufregung, Zauber, Erleichterung. Es ist einfach überwältigend…

Anschließend werde ich mit dem Baby im Arm aus der Wanne geholt und aufs Bett gelegt. Ich finde es wunderschön, dass dann alles Weitere innerhalb der nächsten drei Stunden auf diesem Bett stattfindet. Das Kuscheln, das Messen und Wiegen, das Stillen und auch das Nähen, denn ich habe einen leichten Labienriss. Vermutlich dadurch verursacht, weil das Baby den Arm am Kopf hatte. Vor dem Nähen habe ich wieder Angst. Es ist nicht schön, aber auch nicht so unangenehm wie erwartet.
Ach ja, die Plazenta folgt nach einer halben Stunde dem Baby, was mir sehr wichtig ist, denn ich hatte bis dahin Sorge, dass sie nicht von alleine kommt und ich im letzten Moment doch noch ins Krankenhaus muss.

Drei Stunden nach der Geburt werden wir von einem Freund abgeholt, laufen hoch in den 4. Stock, bestellen erstmal Pizza und verbringen die Zeit kuschelnd überwältigt und verzaubert gemeinsam im Bett. Ich habe mir immer eine sehr schnelle Geburt gewünscht, vielleicht auch weil ich ein bisschen ungeduldig bin und Dinge gerne zügig erledige. Im Endeffekt dauerte es jetzt ungefähr neun Stunden. Ich glaube mein Körper, mein Geist und unser Baby brauchten diese Zeit. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es eine sehr schöne Geburt war. Ich habe mich angenommen und unterstützt gefühlt und bin beeindruckt von meinem Körper, der Leistung und der Kraft, die in mir steckt. Im Nachhinein würde ich nichts anders haben wollen, außer die Fahrt mit dem Auto ins Geburtshaus, die hätte ich mir gerne erspart.

Falls ich ein zweites Kind bekommen sollte, möchte ich dieses vielleicht im Geburtshaus, aber noch viel wahrscheinlicher zu Hause bekommen und gerne wieder mit der tollen Unterstützung von Nora und Lena.

Danke euch für eine schöne erste Geburt.

 



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