05 Jul Das war ja voll ok!
Das war ja voll ok!
Es ist Frühling in Hamburg und der Stichtag für unser Baby ist der 9.5.24. Der Mai ist mein Lieblingsmonat. Daher fände ich es schön ein Maikind zu bekommen, aber ich habe auch seit Wochen keine Lust mehr schwanger zu sein und fühle mich seitdem der Geburtszeitraum für eine Geburt im Geburtshaus erreicht ist, bereit das Baby zu bekommen.
Am 30.04. merke ich um 3.30 Uhr die ersten Wehen. Ich weiß, wie sich Wehen anfühlen, da ich bereits eine Tochter habe, welche zwar mit einem Kaiserschnitt geholt wurde, aber die Geburt begann auch damals mit Wehen. Die erste Geburt im Krankenhaus war geprägt von abwesendem Klinikpersonal und einer gut sitzenden PDA. Dass ich beim zweiten Kind ins Geburtshaus gehen würde, stand für mich seit Beginn der Schwangerschaft fest. Ich wollte die Sicherheit, dass immer eine Hebamme anwesend ist.
Zurück zu den Wehen. Ich merke, dass es langsam los geht und verlasse das Bett. Ich veratme die Wehen im Wohnzimmer. Matze wird wach und fragt, ob es jetzt losgeht. Zusammen stehen wir noch etwas verloren herum und dann beschließt Matze sich nochmal hinzulegen und ich versuche noch eine Sendung zu schauen. Das klappt nur mittelgut, weil ich bei jeder Wehe aufstehen muss, um sie im Stehen zu veratmen. Ich fange an, bei den Wehen gegen die Wand zu schlagen. Das hilft mir etwas. Gegen 7 Uhr beschließen wir die Oma für unsere große Tochter anzurufen und gegen 8 Uhr wollen wir im Geburtshaus anrufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Hebamme schlägt vor, nochmal in die Badewanne zu gehen, was ich tue. Die Wehen kommen weiter regelmäßig aber kurz. Nach dem Bad rufen wir nochmal an und beschließen ins Geburtshaus zu fahren. Die Fahrt ist zwar kurz und sehr unangenehm.
Im Geburtshaus werden wir von Mathilde empfangen. Der Raum ist vorbereitet und jetzt realisiere ich, dass ich heute mein Kind gebären werde. Nach ein paar Wehen, bei denen mir die Hebamme den Rücken massiert, fragt sie mich, ob ich untersucht werden will. Ich bejahe und sie tastet meinen Muttermund und fragt, ob ich wissen will wie weit ich bin. Ich bin überrascht, dass mir keine Zahl an den Kopf geworfen wird, die ich auch nicht brauche, um zu wissen, dass es voran geht. Sie sagt, der Muttermund sei schon ein bisschen offen, muss sich aber noch etwas weiter öffnen. Diese Information reicht mir. Daraufhin veratme ich ein paar Wehen seitlich im Bett. Ich bekomme das TENS Gerät, welches mit Strom den Rücken massiert. Ich merke, dass das Gerät mich von den Schmerzen ablenkt und beschäftigt. Matze und ich bewegen uns durch die Räume und ich merke, wie meine Fruchtblase springt und mir Fruchtwasser das Bein runterrinnt. Dann macht Mathilde den Vorschlag unter der Wehe den Kopfstand von Spinning Babies zu machen. Auch dies machen wir und ich fühle mich sicher, da ich mir erhoffe, dass die Übung die Geburt erleichtert. Dann wird vorgeschlagen in den Pool zu gehen, was ich sofort gut finde. Die Befüllung dauert etwas, aber jetzt ist auch die Hebammenstudentin Solveig dabei, die wir schon vom Geburtsplanungsgespräch kennen. Ich fühle mich sehr kompetent versorgt. Im Pool beginnen langsam die Presswehen und ich schreie bei jeder Wehe aus Leibeskräften. Die Schmerzen sind absurd und entwurzelnd. Trotzdem schaffe ich mich in den Pausen zumindest kurz zu erholen. Nun wechsle ich die Position und gehe auf den Geburtshocker. Ich bezweifle zwar, dass ich es noch aus dem Pool heraus schaffe, aber es gelingt. Mit Matze hinter mir und Mathilde vor mir presse ich so doll ich kann. Ich merke, dass die Form meines Bauches sich verändert hat und das motiviert mich. Die Schmerzen sind aber immer noch sehr intensiv und ich schreie die ganze Zeit. Irgendwann kommt der Vorschlag ans Tuch zu gehen. Und dann erinnere ich mich, wie es ganz schnell geht. Ich sehe im Spiegel unter mir das Köpfchen und die Hebamme sagt: „Jetzt nochmal ganz doll pressen!“ Eigentlich habe ich keine Kraft mehr, aber irgendwie schaffe ich es dann in den nächsten Wehen unser Baby heraus zu pressen. Am Rande bekomme ich noch mit, wie die zweite Hebamme kommt, aber dann ist das Baby auch schon da. Ich bekomme Alva direkt auf die Brust und wir legen uns ins Bett. Danach sage ich mehrfach: „Das war voll ok.“ In diesem Moment empfinde ich es genau so und auch die Schmerzen sind das Ergebnis überaus wert. Nach einer gewissen Zeit sagen die Hebammen, dass jetzt noch die Plazenta kommen und ich nochmal pressen muss. Ich gebe Alva an Matze und knie mich hin,um die Plazenta zu gebären. Dies ist nochmal ein riesiger Kraftakt. Als die Plazenta da ist, lege ich mich wieder hin und uns wird die Plazenta gezeigt. Ich bin beeindruckt und angeekelt zugleich.
Danach können wir ganz in Ruhe ankommen. Erst nach gefühlt einer Stunde essen wir etwas Warmes und meine Geburtsverletzungen werden untersucht. Ein Vaginariss und zwei Schürfungen sind es am Ende geworden und ich bin total entspannt als der Riss genäht wird. Dann soll ich noch auf Toilette gehen. Das Aufstehen klappt gut, aber jetzt bemerke ich wie geschwollen meine Vulva ist – krass. Leider lässt mich meine Blase im Stich und das Pinkeln klappt erst nachdem meine Vulva erneut gekühlt wurde. Dann findet noch die U1 statt, welche Solveig total liebevoll durchführt. Alles ist gut und wir dürfen nach Hause. Ich kann es kaum fassen und bin zuiefst dankbar, dass wir nach nur 8 Stunden zusammen mit Alva wieder nach Hause kommen.
Ich bin unendlich dankbar Alva so selbstbestimmt und respektvoll auf die Welt gebracht zu haben und wünsche mir, dass jede Frau oder gebärende Person die Möglichkeit auf eine 1:1-Betreuung unter der Geburt hat.